Freitag, 10. April 2015

Ring des Nibelungen, März/April 2015, Musiktheater Linz

Hier reposte ich nur aus dem Neuen Merker Online:


Meine Frau stimmt mit der Kritik überein, ich bin ein bisserl kritischer.
Insgesamt eine schöne Produktion!


Der Oster-Ring“


Der vorletzte Komplettdurchlauf der Tetralogie in der Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg am Landestheater Linz/ Musiktheater am Volksgarten – 31. März, 2., 5. und 8. April 2015


Unbenannt
v. l. n. r. beim Schlussapplaus der Götterdämmerung) zu sehen: Chang, Kutzarova, Griesmeier, Braun-Tietje, Clevemann, Gornik, Pesendorfer, Nebera. Foto: H&PHuber


  Wir haben die Drohung von Intendant Rainer Mennicken bei der Premierenfeier der Götterdämmerung vernommen: es ist anzunehmen, daß sich das Haus erst wieder in 10 – 15 Jahren das Wagner’sche Großunternehmen leisten wird können. Die letzten Aufführungen von Siegfried und Götterdämmerung wurden mit Wiederaufnahmen der ersten beiden Opern aus der Vorsaison so programmiert, daß noch drei komplette Zyklen entstanden, die dann auch als Kurzabonnements aufgelegt wurden; nur eine Extra-Götterdämmerung (am 25. April) wird es noch außerhalb davon geben. Also haben wir uns den ganzen Ring, nun innerhalb von 8 Tagen, noch einmal gegeben.


Der bei uns von den Premieren oder premierennahen Abenden her rührende Eindruck der Stärken und Schwächen der Inszenierung, die sich in der Verortung von einem Nomadenzeitalter bis in die vielleicht nahe Zukunft erstreckt, bleibt bestehen: Das Rheingold erscheint stringent und im wesentlich logisch gut durchdacht, die Walküre zeigt neben einem dramatischen ersten Akt gute Personenführung auch in den Szenen zwischen Wotan und Fricka bzw. Wotan und Brünnhilde, und als theatralischen Höhepunkt den makaber-unterhaltsam, gänzlich unheldisch inszenierten „Ritt“. Der Siegfried wirkt im ersten Akt dicht, nicht zuletzt durch den vorzüglichen Mime. Der Kampf mit dem Drachen wird aber verschenkt und durch unsinniges Beiwerk gestört; auch der dritte Akt zieht sich szenisch – nicht zuletzt, da Siegfried nicht einen Berg erklimmen muss, sondern nur einige Zeit auf einer vermüllten Ebene um die verwunschene Brünnhilde herumtapert; auch die am ersten Hauptabend eindrucksvolle Feuerwand ist deutlich verkommen und erweckt nicht den Eindruck, dass sie nur ein unbekümmerter Held durchbrechen könnte. Die Götterdämmerung wiederum ist sehr abgerundet und spannend gestaltet – nur der erste Akt würde sich etwas ziehen, wären da nicht die faszinierende Musik und eine starke Waltraute.


Die Besetzung erfolgte zu großen Teilen aus dem Ensemble, Gäste sind mit (G) markiert.


Die Rheintöchter (Claudia Braun-Tietje, Gotho Griesmeier, Valentina Kutzarova) kommen sowohl am Vorabend als auch in der Götterdämmerung stimmlich und darstellerisch vorzüglich zur Geltung. Bjørn Waag (G) ist ein stimmlich durchschlagskräftiger (merklich besser als im Herbst 2013), mitunter – als Hagens Alb-Traum – auch zur Lyrik fähiger und darstellerisch differenzierter, textdeutlicher Alberich.


Karen Robertson scheint in der Vorsaison ein Stimmproblem gehabt zu haben, das sie aber überwunden hat; jetzt schafft sie die Fricka mit kräftigem, nur wenig – und durchaus rollengemäß – metallisch unterlegtem Organ, und die gemäß Wagners Text nicht grundlose Bißgurn ist bei ihr auch schauspielerisch inklusive Artikulation gut aufgehoben. Der Wotan/Wanderer Gerd Grochowski (G) ist ein exakter und ausdrucksstarker Schauspieler, der seine fundierte Stimme mit noblem dunkelmetalligem timbre strömen läßt, dabei rollengemäß auch etwas müde und resigniert zu wirken versteht (freilich in Walküre und Siegfried sein gewaltiges Pensum ohne reale Ermüdung durchsteht); an wenigen Stellen (Einzug nach Walhall) wäre noch eine Kleinigkeit mehr Kraft zu wünschen, aber Herr Grochowski widersteht hier der Versuchung, über seine ohnedies guten Möglichkeiten hinaus zu forcieren. Nettes Detail am Rande: wenn er, als Wanderer mit Kopfbedeckung, den verdienten Applaus entgegennimmt, verneigt er sich nicht nur, sondern zieht vor dem Publikum (und dem Orchester) auch den Hut. Brit-Tone Müllertz erfreute uns als vorzügliche, lyrische und trotzdem kraftvolle Freia.


Michael Bedjai (G) ist ein wendiger und windiger Loge, eher auf (freilich stimmlich druckvollen) Sprechgesang ausgerichtet; Wagner hat hier exakt das Portrait eines „modernen Politikers“ entworfen, und Herr Bedjai setzt das sehr gut um. Zwei Tage später gelingt ihm der Siegmund nicht ganz so zweifelsfrei – die „Wälse“-Rufe kommen etwas verhalten, manchmal wirkt seine Stimme leicht belegt. Die Winterstürme läßt er jedoch gelungen lyrisch weichen, und das Wälsungen-Blut zum Finale des 1. Aktes blüht wirklich: sowohl bezüglich Lautstärke als auch mit dem gebührenden Schmelz!


Iurie Ciobanu absolviert seine kleine Rolle des Froh mit sauberem lyrischen Tenor. Donner ist für Seho Chang natürlich nur das „Warmlaufen“ für den Gunther, den er wie bei der Premiere vorzüglich auf die Bühne bringt, mit machtvoller Stimme und intensivem Spiel.


Fafner ist Nikolai Galkin mit solidem Bass, dem im Siegfried durch die Regie ein vorstellbarer eindrücklicherer Auftritt verwehrt wird. Dominik Nekel, dessen Stimme sich im Laufe der Jahre erfreulich in Richtung Profundität entwickelt, tritt als vorzüglicher Fasolt auf, mit merklich mehr Druck als 2013, und gibt auch einen schauspielerisch wie stimmlich eindrucksvoll „unguten“ Hunding.


Matthäus Schmidlechner wurde als Mime von der Kritik schon weithin gelobt und hat diese Einschätzung auch diesmal mit perfekter Stimme, klarster Artikulation und fein differenziertem Schauspiel glänzend bestätigt. Auch die unheimliche, archaische Erda der dunkel timbrierten Bernadett Fodor erregt berechtigte Begeisterung beim Publikum.


Sonja Gornik ist eine stimmlich und schauspielerisch eindrucksvolle Sieglinde; auch inmitten der Urgewalt der Götterdämmerungs-Partitur steht sie mit ihrem vorzüglich geführten dramatischen Sopran als Gutrune ihre Frau.


Die Brünnhilde an allen drei Hauptabenden ist Elena Nebera (G). Von allen Ring-Protagonisten ist sie die am ehesten diskussionsträchtige Besetzung. Ohne Zweifel ist ihre Stimme tragfähig wie höhensicher und zeigt nicht einmal in der Götterdämmerung Ermüdungserscheinungen. Wenn es aber in die tieferen Register geht, vor allem also in der Walküre, ist immer noch (freilich weniger als bei der Premiere im März 2014) Kehligkeit zu bemerken, die den Gesamteindruck doch schmälert. Die Diktion läßt ebenfalls, trotz einiger Verbesserungen, noch zu wünschen übrig. Ihr Vibrato wirkt sowohl in der Walküre wie auch im Siegfried etwas dick aufgetragen. Letzteres findet sich deutlich weniger in der Götterdämmerung – insgesamt auch diesmal wieder eindeutig ihre beste Leistung, da sie auch schauspielerisch eindrucksvoll agiert und merklich textdeutlicher singt.


Ihre Schwestern werden von den gut bei Stimme befindlichen Damen Ratzenböck, Braun-Tietje, Griesmeier, Kutzarova, Fodor, Handsaker, Raginskyté und Savchenko mit großer Spielfreude gegeben, unterstützt von einer im Programm nicht genannten stunt-Partnerin mit ihrem prachtvollen (Dunkel)Braunen als repräsentativem Walkürenpferd.


Der „freie, furchtlose Held“ Siegfried wird vom körperlich nicht unbedingt den gängigen Heldenklischees entsprechenden Lars Clevemann (G) dargestellt, wobei aber die Inszenierung darauf zugeschnitten ist und den Helden, der erst in der „Jetztzeit“ auftaucht, mehr als im Umgang mit dem Computer (die Formel für Nothung holt er sich aus dem Netz, und den elektronisch gesicherten Zugang zur Neidhöhle „hackt“ er sich mit einem tablet auf…) als in dem mit dem Schwert Geübten darstellt. Stimmlich läßt Herr Clevemann kaum einen Wunsch offen, und er weiß sein gutes Material auch strategisch richtig einzusetzen, sodass er im Finale des Siegfried die Liebe wirklich leuchten und den Tod wirklich lachen lassen kann, nach netto rund drei Stunden auf der Bühne. Gleiches gilt für die Götterdämmerung: eine saubere Leistung bis zum fatalen Stoß Hagens, auch als Schauspieler.


Waldvögelein Elisabeth Breuer brilliert mit entzückender Stimme, gekonntem Flötenspiel und passend flatterhafter Darstellung. Die Nornen bieten ein Wiederhören mit Karen Robertson und Britt-Tone Müllertz, die erste wird von Bernadett Fodor ebenso wie dann die Waltraute gesungen.


Albert Pesendorfer (G) schließlich ist ein schauspielerisch wie sängerisch rabenschwarz abgefeimter und bedrohlicher Hagen – besser verkörpert wird man die Rolle nicht so schnell sehen und hören können.


Chor & Extrachor des Landestheaters boten wieder, wie üblich, eine vorzügliche Leistung als Stimm- und als Schauspielensemble.


Dennis Russell Davis leitete alle vier Abende mit Umsicht und Präzision, ließ den Emotionen der großen Oper ihren Platz und den Sängerinnen und Sängern genügend Luft. Nachdem verschiedentlich Kritik an zu langsamen Tempi laut wurde (die wir schon bei den Premieren etc. nicht wirklich nachvollziehen konnten), haben wir uns noch einmal einige der gängigen Aufnahmen von Georg Soltis Wiener DECCA-Ring bis hin zur neuen Doppel-CD von Fabio Luisi mit der Philharmonia Zürich angehört: nein, die Tempi von Davis sind und bleiben für uns plausibel und liegen auch im direkten Vergleich beileibe nicht im langsamen Extrem.


Die rund 15 Stunden Nettospielzeit absolvierte das Bruckner Orchester wieder mit prachtvoller Klangentfaltung (besonders der Streicher) und Präzision – (kürzeste) „Patzer“ gab es nur sehr selten (am ehesten merkbar im Siegfried vor der Erweckung Brünnhildes und im ersten Tuba-Ensemble zu Beginn des Trauermarsches), andererseits wurde schwierigste Bläser-Stellen wie z. B. die Überleitung von Hagens Traum zur Ankunft der „Brünnhildenexpedition“ makellos, mit Bravour, absolviert.


Der Applaus erreichte immer wieder Begeisterungsniveau, besonders am Ende der Götterdämmerung – verdientermaßen, möchten wir resümieren.


 H & P Huber

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